Mittwoch, 27. Februar 2013

Schneider, Anzug und Treue

Ob man zufrieden mit seinem Schneider ist, hängt von dessen Können ab, den eigenen Erwartungen und der Chemie zwischen ihm und einem selbst (Foto: Bernhard Roetzel)

Man muss oft sehr lange suchen, bis man einen guten Maßschneider gefunden hat. Die lange Suche und die Freude über ihren guten Ausgang führt dazu, dass man wie selbstverständlich diesem Handwerker treu bleibt. Jedenfalls so lange, bis man ihm aus unterschiedlichen Gründen untreu wird.

Es ist kein Zufall, dass die Beziehung zum Schneider mit Treue in Verbindung gebracht, einem Begriff, der an die Ehe gemahnt. Das Verhältnis zwischen Schneider und Kunde ist sehr persönlich und mit sehr vielen Erwartungen verknüpft. Bei der Ehe plädiere ich für absolute Treue, beim Schneider empfehle ich dem Kunden dagegen Sprunghaftigkeit.

Ich habe schon an anderer Stelle geäußert, dass man den Schneider wechseln sollte, wenn der erste Anzug gut geworden ist. Wenn der erste Anzug nicht gut war, kann der zweite besser werden. Natürlich kann der schlechte erste Anzug auch ein Hinweis darauf sein, dass es niemals etwas werden wird mit diesem Schneider und diesem Kunden. Wenn der Anzug aber gut war, sollte man eigentlich zum nächsten Schneider gehen. Denn nach einem guten Anzug noch einen guten Anzug zu machen, ist für den Schneider nicht leicht. Denn für den Kunden ist es fast unmöglich, mit dem zufrieden zu sein, was den ersten Anzug gut sein ließ. Der Kunde will den guten Anzug verbessern und macht ihn dadurch schlechter. Entweder, weil er nun plötzlich vom Schneider Ideen umsetzen lassen will, die als Idee nett sind aber den Anzug nicht weiterbringen. Oder aber, weil der Schneider nun unsicher wird. Vielleicht auch, weil der Schneider sich seiner Sache und des Kunden schon sicher ist und nicht mehr alles gibt beim zweiten Auftrag.

Ich weiß, dass kaum jemand meinen Rat befolgen wird. Die Suche nach einem guten Schneider kostet eben viel Zeit. Darum sollte man vielleicht einfach nur versuchen, mit dem ersten guten Anzug zufrieden zu sein und zufrieden zu bleiben.

Montag, 25. Februar 2013

Da der Winter nicht geht: Schuhtipps für die Kälte

Ich habe an anderer Stelle geschrieben, dass der Sommer ein modischer Ausnahmezustand ist. Das muss ich relativieren. Dank leichter Stoffe und Klimatisierung ist es wesentlich einfacher, sich an heißen Tagen elegant zu kleiden als an kalten Tagen. Hauptproblem bei Frostgraden sind die Schuhe. Da sich der Winter immer noch nicht verzieht, hier meine Favoriten für kalte Tage.


Der zwiegenähte Fliegerstiefel von Meindl ist die sportliche Variante, die Dank des Lammfellfutters richtig warm hält. Passt natürlich nicht wirklich in der Stadt, zum pelzgefütterten Lodenmantel auf der Jagd, einem Parka in der Skihütte oder der ebenfalls lammfellgefütterten Pilotenjacken beim Bummeln aber umso besser (Foto: Meindl)
Der Maronibrater ist ein Klassiker aus dem Hause Ludwig Reiter. Er wird im Winter vor allem in deutschen Innenstädten an den Füßen schicker Shopper gesichtet, ist aber natürlich auch in freier Natur zu Hause. Passt zum klassischen Look wie zu moderneren Casual-Looks (Foto: Ludwig Reiter)


Der rahmengenähte Halbstiefel mit Lamfellfutter (z. B. der Santo von Prime Shoes, gesehen bei Cove & Co) ist die ideale Lösung für den anglophilen Herrn, der einen stimmigen und gleichzeitig sehr warmen Schuh zu Tweedjacke und Moleskin- bzw. Kordhosen sucht. Passt aber auch zum sportlichen Anzug aus Streichgarn mit schmalerem Hosenbein (Foto: Bernhard Roetzel)

Galoschen waren viele Jahre ein Geheimtipp, seit die Firma Swims sie aber in auffälligen Farben herausgebracht hat, gelten sie als attraktive Lösung bei Schmuddelwetter. Die normal dimensionierten Galoschen schützen bei Schnee aber nur vor dem Ausgleiten, gegen die Kälte hilft dagegen besser der Galoschen-Halbstiefel. Sieht zwar ein bisschen aus wie ein Schuh für Surfer, darf aber auf dem Weg zu Oper ruhig über die Frackschuhe gestreift werden (Foto: Swims/ Cove & Co.).










Dienstag, 19. Februar 2013

Farbige Strümpfe

Nur selten dekorieren Einzelhändler farbige Strümpfe so, dass Männer Lust auf sie bekommen. Der Ausstatter Cove & Co. ist da eine echte Ausnahme (Foto: Cove & Co.)

Bei Vorträgen trage ich manchmal leuchtende Farben an den Knöcheln. Manchmal aber nicht immer. Denn nicht jedes Publikum versteht die Aussage farbiger Wirkware. "Herr Roetzel, Sie kennen sich doch so gut aus. Wie können Sie rote Strümpfe zum dunklen Anzug tragen?" Diese Frage höre ich dann unter Garantie nach meinem Auftritt. Wenn das Publikum eben noch nicht gehört hat, dass farbige Strümpfe a) für den Gentleman-Stil typisch sind - Stichwort "flamboyance" b) gerade in Mode sind oder c) in gewissen Zusammenhängen durchaus auch zum Anzug tragbar sind. Oftmals sind die Leute auch einfach verwirrt, weil man ihnen jahrelang eingetrichtert hat, dass nur dunkle Strümpfe zum Anzug korrekt sind. Und nun kommt dieser so genannte Stilpapst mit gelben Strümpfen daher. Ich verstehe das alles. Und ich verstehe auch, wenn jemand den Hintergrund der farbigen Strümpfe kennt und sie trotzdem nicht mag. Ich selbst trage zum dunklen Anzug dunkle Strümpfe, wenn der Anlass ein seriöses Äußeres ohne Brechungen verlangt, die Umgebung die farbigen Strümpfe aller Wahrscheinlichkeit nicht verstehen würde und ich auf Irritationen verzichten will und wenn mir gerade der Sinne nach Unauffälligkeit steht. Alles zu seiner Zeit.

Montag, 18. Februar 2013

Hosenweite und Schuh


Hemdenstoffmesse in Como 2003: Chukkaboots aus Rauleder zur schmal geschnittenen Anzughose (Foto: Archiv Bernhard Roetzel)

Obschon der klassische, also unmodische Herrenanzug, seit Jahrzehnten nur wenig variiert wird, kann er über den Schnitt der Hosen sehr abwechslungsreich gestaltet werden. Die Form der Hose hat wiederum Auswirkungen auf die Wahl der Schuhe. Beinnahe Hosen werden kürzer getragen und lassen damit mehr vom Schuh sehen. Und kurze Hosen erlauben es auch, knöchelhohe Schuhe, z. B. Chukkaboots oder Chelseaboots, zu tragen. Weite Hosen würden die Stiefelette dagegen so weit bedecken, dass von ihr genauso viel oder wenig wie von einem Halbschuh zu sehen ist. Zur Zeit sind schmal geschnittene Hosen immer noch sehr beliebt, ich selbst trug sie vor zehn Jahren in dieser Form beim Anzug. Dann auch gern mit knöchelhohen Stiefeletten. Heute bevorzuge ich diesen Schnitt bei Hosen zum Sakko.

Freitag, 15. Februar 2013

Prince Charles mag es wieder weich

Anderson & Sheppard ist inzwischen von der Savile Row in die Old Burlington  Street 32 umgezogen, im Filmbericht über den Besuch des Thronfolgers bei seinem Schneider wird die Firma aber als Savile-Row-Schneider bezeichnet (Foto: Bernhard Roetzel)

Auf der Webseite des Prince of Wales ist ein Filmbericht über einen Besuch des Thronfolgers bei Anderson & Sheppard zu sehen. Anlass der Visite war, dass der älteste Sohn der englischen Königin die Lehrlinge des Hauses treffen wollte. Interessant an dem Film war für mich vor allem, dass Prince Charles anscheinend wieder bei Anderson & Sheppard arbeiten lässt.  Die Medien hatten 2006 berichtet, dass Prince Charles auf Maßkonfektion von Turnbull & Asser umgestiegen war. Es wurde spekuliert, dass seine zweite Frau ihn aus Sparsamkeit zu diesem Wechsel gedrängt hatte. Anscheinend hat sich der zukünftige König wieder auf die Vorteile des individuell zugeschnittenen Anzugs besonnen. Die sind bei Anderson & Sheppard mit einer unvergleichlich weichen Verarbeitung verbunden, die der Jacke das Tragegefühl eines seidenen Morgenrocks verleiht. Die Süditaliener hatten in Anderson & Sheppard bereits einen Konkurrenten, bevor sie mit Kiton & Co. die Weltbühne der Herrenmode betreten haben. Die wohl bekannteste neapolitanische Manufaktur hatte immer mal wieder angedeutet, dass Prince Charles ihre Anzüge trägt. Diese Aussage habe ich nie für glaubwürdig gehalten, der Wunsch war da wohl Vater des Gedankens. Gerade weil Anderson & Sheppard ihr in Sachen Leichtigkeit durchaus Paroli bieten kann.

Mittwoch, 13. Februar 2013

Gesprächsstoff

Bei Buchvorstellungen und Signierstunden komme ich mit Lesern ins Gespräch, wie z. B. bei Cove & Co.  Die Gespräche beginnen meistens mit Stilfragen, enden oft aber bei ganz anderen Sujets (Foto: Erill Fritz)

Wenn ich bei Veranstaltungen mit Lesern ins Gespräch komme, wird von denen oftmals angenommen, dass ich mich für teure Autos, hochwertige Uhren, Zigarren, Wein, Malt Whisky, 5-Sterne-Hotels und vielleicht auch noch den Golfsport interessiere. Viel seltener wird von mir die Liebe zu Literatur, Musik oder bildender Kunst erwartet oder werden Kenntnisse über Geschichte, Philosophie oder Religion vorausgesetzt. Anscheinend nehmen meine Leser aufgrund meiner Bücher an, dass ich mich ausschließlich für Kleidung, Schuhe, Accessoires, teure Konsumgüter und Genussmittel begeistere. Das ist vielleicht nicht einmal weiter verwunderlich und es stört mich auch nicht. Dennoch ist es so, dass ich zwar eine mechanische Uhr besitze, mein Interesse an den üblichen Luxusgütern ansonsten aber gering ist. Ein Auto ist für mich ein Transportmittel, ich fahre ebenso gern mit der Eisenbahn. Ich esse und trinke und gern gut, habe dabei aber nur den Anspruch, anständige Qualität zu bekommen. Für kulinarischen Firlefanz interessiere ich mich nicht. Golf spiele ich auch nicht, steige privat nie in Nobelherbergen ab und nutze freie Momente am liebsten zum Lesen literarischer oder historischer Werke. Dieser Blog heißt nicht umsonst "Betrachtungen eines Unmodischen".

Freitag, 8. Februar 2013

"Live" und in Farbe: Auftritte im Februar bei Cove & Co.

Im Februar bin ich gleich zweimal bei Cove & Co. mit meinem Buch "Mode Guide für Männer" zu Gast. Wer mich an einem der Abende (oder an beiden Abenden) sehen und hören möchte, möge sich bitte direkt bei Cove & Co. anmelden.

http://blog.cove.de/tag/bernhard-roetzel/

Donnerstag, 7. Februar 2013

Messen lohnt sich

Bevor man sich über Schuhmodelle unterhält, sollten die Füße vermessen werden (Foto: Eduard Meier)

Haben Sie so ein Gerät schon einmal gesehen? Es handelt sich um eine Vorrichtung mit der die Länge und die Breite von Füßen gemessen wird. Das Foto zeigt das Exemplar, das bei Eduard Meier in München eingesetzt wird. Leider bekommt man so eine Apparatur nur in wenigen Geschäften zu Gesicht. Ich vermute, dass es in vielen Läden nicht einmal vorhanden ist. Nur bei guten Kinderschuhgeschäften wird es noch selbstverständlich eingesetzt. Weil Kinderfüße besonders empfindlich sind und noch wachsen. Die Füße der Großen wachsen zwar nicht mehr, sie verändern aber dennoch ihren Umfang. Deshalb sollten auch sie immer mal wieder vermessen werden. Ich selbst habe zum Beispiel erst Dank des abgebildeten Apparats herausgefunden, dass ich zehn Jahre lang die falsche Breitengröße und demzufolge auch die falsche Längengröße getragen habe. Messen lohnt sich.

Montag, 4. Februar 2013

Butler: Selbst ist der Gentleman

Ich habe vor einiger Zeit eine Butlerschule in London besucht. Ich war verblüfft, dass man dort Quereinsteigern aus fachfremden Berufen in nur wenigen Wochen alle Kenntnisse beibringen möchte, die dazu erforderlich sind, den Haushalt eines wohlhabenden oder reichen Dienstherrn zu leiten. Dabei ging es neben anderen Fächern auch um die Auswahl und die Pflege der Garderobe.

Es ist völlig illusorisch zu glauben, dass man jemandem, der bisher Autos verkauft hat, Flugbegleiter war, Automechaniker oder Leibwächter, in so kurzer Zeit so viel Wissen vermitteln zu können, dass er einen zahlungskräftigen aber stillosen Chef gut beraten kann bei der Bestückung des Weinkellers, bei der Einrichtung des Hauses, bei der Zusammenstellung von Menüs oder bei der Bestellung von Maßkleidung. Gleichwohl ist es natürlich möglich, all diese Kenntnisse zu vermitteln. Aber nicht in wenigen Wochen.

Die meisten Menschen müssen ohne Butler auskommen und ohne Kammerdiener. Der Gentleman des Gentleman ist für die Mehrheit selbst der gut verdienenden Minderheit unerschwinglich. So beschränken sich die modernen Männer in der Regel darauf, ihr eigener Butler zu sein. Die Kenntnisse, die man benötigt, sich selbst zu verwöhnen, kann man sich in aller Ruhe und mit viel Spaß selbst beibringen.