Donnerstag, 29. März 2012

Mohair für den Sommer

Diskret schimmernder Mohair von Holland & Sherry: Der Sommer kann kommen (Foto: Erill Fritz)

Wenn von Sommerstoffen die Rede ist, werden neben Wolle und Kaschmir meistens vor allem Leinen und Baumwolle genannt sowie - als luxuriöse Variante - Seide. Für einen Sommeranzug, der businesstauglich sein soll, empfehlen sich Wollgewebe am ehesten. Besonders unempfindlich werden sie durch die Beimischung von Mohair. Längst nicht mehr so glänzend wie die Qualitäten, die in den 1960ern so beliebt waren, sind heutige Mohairstoffe knitterunempfindlich und noch luftiger. Dazu passen eine leichte Seidenstrickkrawatte und bei Sonnenschein ein feiner Panamahut.

Dienstag, 27. März 2012

Seersucker

Seersucker-Stoffe bei Beckenstein's Men's Fabrics in New York City (Foto: Bernhard Roetzel)

Ich kann mich gut erinnern, wie ich um das Jahr 2000 mit einem zweireihigen Seersucker-Anzug bei einer deutschen Modemesse antrat. Die Reaktionen waren verhalten. Seersucker? Als Sakko vielleicht. Eventuell auch als Hose. Aber gleich als Anzug? Inzwischen würde man in diesem Aufzug beim Fachpublikum kaum noch Blicke auf sich ziehen. Auf der Straße ist der unempfindliche Baumwollstoff noch nicht ganz angekommen. Was einerseits zu bedauern ist, da den Männer ein sehr angenehmes Tragegefühl entgeht. Was vom Standpunkt der Exklusivität jedoch positiv ist. Es müssen nicht alle alles gut finden.

Montag, 19. März 2012

Sind Blousons klassisch?

Es gibt Blousons, die durchaus als klassisch zu bezeichnen sind,  z.  B. das Modell G9 von Baracuta
(Foto: Bernhard Roetzel)

Verträgt sich der klassische Look mit Blousons? Diese Frage wird oftmals hinter vorgehaltener Hand gestellt. Die Antwort hängt ein wenig davon ab, was unter "klassisch" verstanden wird. Allerdings nur ein wenig. Denn bei den zwei Hauptstilrichtungen der zeitlosen Mode, dem britischen Look und dem italienischen Look, gehören Kurzjacken seit den 1930ern zum Standardrepertoire. Und beim Ivy-League-Look sowieso. Also: Blousons gehören dazu. Ein Muss sind sie meiner Meinung jedoch nicht. Sakkos sind auch in der Freizeit immer eine gute Option. Und im Sommer sind Jacken im Safaristil die etwas elegantere Option.


Safarijacken gibt es bei einer Vielzahl von Anbietern, hier Modelle aus der Kollektion von Purdey aus London
(Foto: Bernhard Roetzel)



Freitag, 16. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 5

Den Anzug von Kathrin Emmer trug ich auch bei der Fotosession für Pressefotos, die im Zusammenhang mit meinem neuen Buch "Mode Guide für Männer" geschossen wurden (Foto: Erill Fritz)


Aussehen und Passform der Jacke waren exakt so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nicht zu körperbetont, weit in den Schultern, nicht zu weich in der Verarbeitung. Wobei die Verarbeitung durchaus weich ist. Dabei hatte ich mir sogar die schwerste Einlage ausgesucht, die Kathrin Emmer verwendet. Hier haben die Deutschen entgegen dem bekannten Vorurteil den Engländern doch etwas voraus und sind geradezu italienisch. Nicht süditalienisch aber doch ähnlicher einem Anzug aus Mailand als aus London. 

Während ich mich in die Jacke hineinfühlte, inspizierte Kathrin Emmer ihn mit den Augen der Fachfrau. Mir fiel nur die Stellung eines Knopfes auf, der wenige Millimeter zu hoch saß, das wurde rasch geändert. Ansonsten gab es nichts zu verbessern, ich konnte den Anzug also gleich mitnehmen. Wenige Tage später setzte ich ihn ein und bekam sofort Komplimente. Obwohl – oder vielleicht weil – er so gar nicht dem aktuellen Stand der Anzugmode entspricht. Er scheint eine Gediegenheit und Eleganz auszustrahlen, die man sonst selten sieht. 

Vortrag beim Club zu Bremen im Herbst 2011 (Foto: Der Club zu Bremen)

Inzwischen habe ich den Anzug bei mehreren Anlässen getragen, geschäftlichen wie privaten. Auch den Langzeittest hat er mit Auszeichnung bestanden, denn wunschgemäß sitzt er nicht allzu dicht am Körper und das Armloch engt nicht ein. Besonders die Freunde der süditalienischen Schneiderei philosophieren ja gern über die Vorteile eines kleinen und hoch sitzenden Armlochs. Ich konnte ihm nie viel abgewinnen. Mir wird darin einfach zu warm. 

Lesen Sie demnächst in der letzten Folge dieser Artikelreihe, welche Vorteile mein Anzug aus Berlin insgesamt für mich hat.

Dienstag, 13. März 2012

Von Creme und Milchkaffee

Eine Stoffrolle auf dem Zuschneidetisch in der Maßhemdenabteilung von Emanuel Berg (Foto: Bernhard Roetzel)


Wie sagt man? "Jede Hemdenfarbe ist okay, Hauptsache blau." Dem ist fast uneingeschränkt zuzustimmen. Fast! Denn ab und zu dürfen auch andere Töne zum Zuge kommen. Dabei denke ich gar nicht an das immer noch beliebte Weiß. Mir geht es vielmehr um die derzeit vernachlässigten Schattierungen von Creme bis Milchkaffeebraun. Ein ganz heller Cremeton ist eine sehr elegante Alternative zu Weiß, z. B. zum dunkelblauen Anzug. Und ein helles Milchkaffeebraun passt hervorragend zu hellen Sommeranzügen. Für diesen Sommer habe ich jedenfalls gerade einige Coupons in derlei Tönen bei meiner bevorzugten Weberei in Appenzell geordert.

Montag, 12. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 4


Die Jacke wartet auf die erste Anprobe (Foto: Kathrin Emmer)


Getreu der kontinentaleuropäischen Schneidertradition findet die erste Probe ohne Ärmel statt
(Foto: Kathrin Emmer)

Die erste Anprobe fand zwei Monate später statt und ich war sehr angetan. Anders als bei den Briten sah das Teil auch in diesem Stadium ordentlich aus, die Ärmel fehlten natürlich noch. Viel zu tun gab es nicht. Die Schulter wurde neu gesteckt, um den Fall des Revers zu optimieren, ich bat ansonsten nur darum, die Gesamtlänge zu kürzen. Die Hose war auf Anhieb optimal gelungen. 

Die Rückansicht der Jacke mit Kreidemarkierungen (Foto: Kathrin Emmer)

Einige Wochen später bekam ich dann per E-Mail die erfreuliche Mitteilung, dass ich zur zweiten Probe kommen kann. Wenige Tage darauf erklomm ich erneut die Stufen zu Kathrin Emmers Atelier im Berliner Stadtteil Wedding. Die Jacke des Anzugs wartete auf einer Schneiderbüste, die Hose hing auf einem Bügel am Paravent. Ich hatte mir wieder ein Paar Hosenträger mitgebracht und knöpfte sie an das Beinkleid, dann zog ich es über. Es war nun komplett fertiggestellt mit handgenähten Knopflöchern am Hosenschlitz und Seitenschnallen. Die Hose saß wie gewünscht und hielt auch der kritischen Überprüfung durch die Meisterin stand. Anschließend ließ ich mir in die Jacke helfen und blickte in den Spiegel. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Mein Londoner Schneider John Coggin hat einmal gesagt, dass er für diese Sekunde arbeitet. Entweder, der Kunde macht ein zufriedenes Gesicht oder er ist nicht wirklich zufrieden. Und wenn der Kunde nicht zufrieden ist, wenn der Schneider nicht ins Schwarze getroffen hat, nützen keine Argumente, hilft kein gutes Zureden. Vielleicht wird der Kunde gar nicht diskutieren oder reklamieren. Aber er wird nicht wiederkommen. Ich aber war zufrieden. 

Im blauen Blazer von Heinz-Josef Radermacher mit Prinz Franz-Friedrich von Preussen in Potsdam
(Foto: Bernhard Roetzel)

Donnerstag, 8. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 3

Erste Anprobe bei Kathrin Emmer. Der Stoff ist ein Flanell aus der italienischen Weberei Drapers (Foto: Kathrin Emmer)

Am Rande des Weltkongresses der Maßschneider hatte ich schon 2005 das Atelier der Herrenschneidermeisterin Kathrin Emmer besucht. Mir gefielen die Kleidungsstücke, die ich dort sah und so hielt ich den Kontakt bis ich selbst in der Hauptstadt angekommen war. Auch Volkmar Arnulf habe ich ein paar Mal in seiner Werkstatt am Kurfürstendamm besucht, unter anderem wegen eines Zeitschriftenartikels, in dem ich ihn portraitiert habe. Während einer dieser Besuche sprachen wir über die Geschichte der Berliner Maßschneiderinnung und kurz darauf fand ich in der Post Volkmar Arnulfs Buch. Im Sommer 2009 stand eine etwas aufwändigere Änderung an einer Cutweste an und ich suchte Kathrin Emmer in ihrem Atelier auf. Als ich in der Werkstatt in einem Bündel von John G. Hardy die Kammgarnversion eines Tweeddessins fand, das mir gefiel, war ich schon drauf und dran, ein leichtes Sportsakko zu bestellen. Leider war genau dieser Stoff nicht mehr lieferbar und so ließ ich die Idee fallen. Wir bleiben weiter in Kontakt, es dauerte aber weitere zwei Jahre, bis es endlich zur Bestellung kam.
Ein Modebild aus den dreißiger Jahren zeigt die damals beliebten weiten Hosen mit breiten Hosen. Der Schuh bekommt dadurch eine ganz andere Optik (Abbildung: Rundschau der Herrenmode)

Bei einem Vortrag vor Kunden des Hauses Stiesing in Bremen trug ich 2011 einen Zweireiher von Tobias Tailors aus einem typisch englischen Streifenstoff (Foto: Stiesing)


Ich hatte mich seit etwa einem Jahr ausführlich mit der Mode der dreißiger und vierziger Jahre beschäftigt. Beide Dekaden war geprägt von großer Eleganz und einem breiten Konsens darüber, wie Kleidung auszusehen hat. Fotos mit Straßenszenen aus dieser Zeit belegen das, die Männer trugen Fassonschnitt, Anzug, Hut und Mantel. Mit dem Krieg veränderte sich die Mode allein schon wegen der Materialknappheit in ganz Europa, die Grundformel der Herrenbekleidung behielt aber auch in den Notzeiten Gültigkeit. In diesen Jahren war der Zweireiher wesentlich verbreiteter als heute, Seitenschlitze waren unüblich, die Hosenbeine weiter geschnitten. Interessanterweise lassen sich auch viele Modebilder aus Großbritannien finden, auf denen die Herren Anzüge ohne Seitenschlitze tragen. Die heute verbreitete Vorstellung, dass Seitenschlitze typisch für die Londoner Schneiderei waren, ist nicht korrekt. Ich habe immer schon Zweireiher vorgezogen, nun wünschte ich mir dieses Modell aber mit Anklängen an die mitteleuropäische Schneidertradition der Dreißiger und Vierziger. Mir war klar, dass dieser Zweireiher in Deutschland entstehen sollte, besser noch in Berlin. Ich vereinbarte einen Termin mit Kathrin Emmer und schilderte ihr meine Vorstellung. Vermutlich habe ich wesentlich mehr gesagt, als die meisten Kunden es tun, ich halte es aber für sehr wichtig, seine Wünsche präzise zu schildern. Das Maßnehmen ging ziemlich fix, Kathrin Emmer arbeitete dabei sorgfältig und konzentriert. Es gibt Schneider, die den Kunden bei diesem Vorgang durch Gespräche unterhalten wollen, oft lenken sie sich dabei aber nur selbst ab. Das war hier nicht der Fall. 

Dienstag, 6. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 2

Mein erster Anzug von Tobias Tailors, einige Jahre später bei einem Event bei Görtz in Hamburg (Foto: Görtz)

Das erste Teil, das zur Anprobe fertig war, hing in London für mich bereit. Gemäß der dortigen Übung waren die Ärmel dabei schon angeheftet. Die Anprobe war ein Erfolg, nur die Schultern waren beträchtlich zu weit. Bei Heinz-Josef Radermacher ging es ganz anders zu. Ich wohnte damals relativ nah an Düsseldorf, deshalb lud er mich zu einer Art Vorprobe ein. Die Jacke war quasi nur skizziert und für mich als Laien und Neuling im Atelier nur in Umrissen zu erkennen. Wenig später folgte die erste Anprobe – ohne Ärmel natürlich. Schließlich die zweite Anprobe und dann die Fertigprobe. Der Blazer ist sehr gut geworden, dennoch orderte ich in den folgenden Jahren weiter bei Tobias Tailors, genauer gesagt bei John Coggin. Dies lag an meiner Liebe zur britischen Bekleidungskultur und an dem guten Verhältnis zu dem englischen Schneider. Als sein Partner und er das Ladengeschäft aufgeben mussten, arbeitete John Coggin zunächst als Einzelkämpfer weiter, dann wurde er von dem Herrenausstatter Hackett für dessen Filiale im Londoner Bankenviertel als Zuschneider engagiert.

John Coggin im Ladengeschäft von Tobias Tailors in London (Foto: Bernhard Roetzel)

John Davies, Partner von John Coggin bei Tobias Tailors, bereitet einen Anzug für die erste Anprobe vor (Foto: Bernhard Roetzel)


Mein Interesse an der deutschen Schneiderei wurde durch die Recherchen für ein Buch über die Maßschneiderei neu geweckt. In Köln führte ich ausführliche Gespräche mit dem Kölner Tuchhändler Hellmut Rondholz in seinem damaligen Büro in der Kamekestraße Nr. 31/33. 45 Jahre lang hat er deutsche Schneider zwischen Flensburg und München beliefert. Er war nicht nur Importeur und Großhändler, sondern vor allem auch Repräsentant angesehener englischer und schottischer Tuchhäuser wie John G. Hardy, Harrisons of Edinburgh, Holland & Sherry oder J. Minnis. In unserem Gespräch wurde für mich die Geschichte des deutschen Maßschneiderhandwerks lebendig und es kam auch so etwas wie Wehmut auf angesichts der unwiederbringlich verlorenen Tradition. Als mir Volkmar Arnulf im letzten Jahr seine Chronik der Berliner Schneidergilde 1288-1988 überreichte, musste ich beim Durchblättern an das Interview mit Hellmut Rondholz denken. Viele Namen, die er mir als Berliner Schneiderlegenden genannt hatte, fand ich in dem Buch von Volkmar Arnulf wieder. Als ich Hellmut Rondholz gegenüber saß, trug ich eine Tweedjacke von John Coggin. Auch als ich 2005 beim Weltkongress der Maßschneider in Berlin den Ländervergleich moderieren durfte, trat ich in einem Anzug aus London auf. Zahlreiche Begegnungen mit deutschen Schneidermeistern bei Tagungen, Seminaren, Recherchebesuchen in Werkstätten oder auf Messen erweckten immer wieder den Wunsch, erneut etwas hier in Deutschland zu bestellen.





Montag, 5. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 1

Durch Zufall (oder Fügung) wurde ich Kunde bei Tobias Tailors in der Savile Row.  Leider musste die Schneiderei wegen der hohen Mienten vor einigen Jahren schließen (Foto: Bernhard Roetzel)

Mein Faible für die englische Maßschneiderei ist bekannt. In zahlreichen Artikeln und Vorträgen habe ich das Loblied der Savile Row gesungen und die meisten meiner Anzüge stammen auch daher. Dennoch habe ich mich immer sehr für die deutsche Maßschneiderei interessiert. Dies war Thema eines Artikels, den ich in vorigen Ausgabe der "Rundschau der Herrenmode" veröffentlicht habe. Ich publiziere ihn nun auch hier in mehreren Teilen.

Als ich Ende der achtziger Jahre in Hannover studierte und mich für handgemachte Kleidung zu interessieren begann, wurde ich das erste Mal auf die Maßschneiderei als Handwerk aufmerksam. Ganz in der Nähe meiner Wohnung lag die Werkstatt des Schneidermeisters Walter Krautheim. Ab und zu kam ich an dem schmalen Schaufenster seines Ateliers in der Jakobistraße vorbei und blieb immer eine Weile davor stehen, um die darin ausgestellten Kleidungsstücke zu betrachten. Es gab damals hervorragende Herrenausstatter in der niedersächsischen Landeshauptstadt, deren Auslagen das Beste zeigten, was damals in italienischen Manufakturen gefertigt wurde, das kleine Fenster bei Krautheim faszinierte mich aber viel mehr. Einmal war ein Sakko aus schwerem, fast kratzig aussehendem Tweed ausgestellt. Man sah überall die weißen Heftfäden aus Baumwolle, die Revers waren noch nicht mit dem Oberstoff besetzt, ich konnte die Pikierstiche und das Leinen mit den eingewebten Rosshaarfäden ausmachen. Wenn man in die Werkstatt hineinspähte, war der Schneidermeister bei der Arbeit zu sehen. Hier wurde Kleidung noch richtig von Hand gemacht. Das beeindruckte mich.

Irgendwann habe ich mich in den Laden hineingewagt. Vorwand war die Änderung eines Sakkos. Der Preis war deutlich höher als das, was ich gewöhnt war. Doch Walter Krautheim argumentierte, dass er Herrenschneidermeister sei und ganz anders arbeitet, als die Änderungsschneider. Oft hätten die nur in Textilfabriken das Nähen gelernt, keinesfalls besäßen sie aber einen qualifizierenden Abschluss. Das überzeugte mich und die Änderung wurde dann auch wirklich bestens ausgeführt. Als ich vor einigen Tagen in Hannover anrief, um einige Daten zu recherchieren, hatte ich Jörg Krautheim am Telefon. Er hat 1993 das Geschäft von seinem Vater übernommen. Walter Krautheim hat sich zurückgezogen und erfreut sich seines Ruhestands. Sein Sohn ist ebenfalls Schneidermeister und fertigt inzwischen als einziger Vertreter seines Fachs in Hannover Anzüge nach den Regeln der Handwerkskunst. 2005 konnte das Atelier das fünfzigjährige Jubiläum feiern.

Mein Schnittmuster bei Tobias Tailors. Heute hängt es in der privaten Werkstatt von John Coggin, dem früheren Mitinhaber des Hauses (Foto: Bernhard Roetzel) 

Schon als Student habe ich davon geträumt, mir eines Tages so ein Kleidungsstück anfertigen zu lassen. Dass sich dieser Traum nur ein paar Jahre später erfüllen würde, hätte ich damals nicht gedacht. Als ich 1998 den Vertrag mit dem Könemann Verlag in Köln für ein Buch über klassische Herrenmode in der Tasche hatte, führten mich die Vorbereitungen für die Fototermine in die Savile Row. Neben Anderson & Sheppard lag damals das kleine Atelier von Tobias Tailors. Mir gefielen die Schaufensterauslagen und so ging ich hinein. Die beiden Inhaber John Coggin und John Davies waren mir sympathisch, wir kamen ins Gespräch und schließlich bestellte ich einen zweireihigen Anzug aus einem Sportex-Stoff von Dormeuil. Während dieser Anzug in Arbeit war, lernte ich Heinz-Josef Radermacher in Düsseldorf kennen. Er hatte uns freundlicherweise die Erlaubnis gegeben, bei ihm Fotos von der Hemdenmacherei zu schießen. Auch zwischen uns stimmte die Chemie und so orderte ich ihm bei ihm einen dunkelblauen Blazer, dieses Mal aus einer Ware von Scabal

Freitag, 2. März 2012

Qualität von gestern

Binder aus bedruckter Seide von Knize, vor 13 Jahren gekauft und häufig getragen. Qualität, die lange hält
(Foto: Bernhard Roetzel)

Der Niedergang der Bekleidungskultur wird oft beklagt, dass er sich zuweilen auch an der Qualität der angebotenen Ware zeigt, ist selten Thema. Dabei hat es für mich sehr viel mit Bekleidungskultur zu tun, was uns in den Läden angeboten wird. Vieles davon darf wohl als Ramsch tituliert werden. Das ist in Ordnung, wenn es zu Ramschpreisen verkauft wird. 


Was soll ich z. B. von dem "Nobel League Business-Langarmhemd" erwarten, dass aktuell im Lidl-Webshop für 7,99 Euro angeboten wird? Ich habe keine Ahnung. Fast genau das Zehnfache kostet die Ascot-Strickkrawatte bei Manufactum, nämlich 79 Euro. Bei so einem Preis darf ich Qualität voraussetzen. Von Ascot, einem alteingesessenen Krawattenhersteller aus Krefeld, wurde ich bisher nicht enttäuscht. Die Binder waren ihr Geld wert. Leider ist dies heute keine Selbstverständlichkeit. 


Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass Krawatten von ähnlich renommierten Lieferanten aus minderwertigen Stoffen gearbeitet waren. Stoffen, die nach zweimaligem Binden schon ganz fusselig aussahen, weil das Garn aus kurzen und damit billigen Faserresten gewebt worden ist. Wer den Kunden so etwas anbietet, nimmt weder seine Aufgabe als Hersteller ernst noch den Endverbraucher. Und er beschleunigt den Niedergang.