Montag, 23. Mai 2016

Vier Fragen an Michael Jondral


Michael Jondral (2. von links) bei einer Trunkshow in seinem Geschäft. Geographisch liegt es in Hannover,  stilistisch ist es neapolitanisch geprägt. Wie kaum ein anderer in Deutschland hat sich Jondral auf den Look dieser Stadt spezialisiert (Foto: Simona Bednarek)

1. Herr Jondral, taugt der Deutsche zum Neapolitaner?


Ein Deutscher kann natürlich seitens seines Geburtslandes kein Neapolitaner sein. Sofern er aber Freude an handwerklich gefertigter Bekleidung hat und er kleine Details, wie eine faltige Hemdenschulter, ein etwas breiteres Revers (9 cm sollten es schon sein) mag, könnte er zum Neapolitaner taugen und seinem Bekleidungsstil die nötige „Sprezzatura“ verleihen. Nächster Schritt: Eine neapolitanische Hartweizenpasta (natürlich molto „al dente“) und einen Büffelmozzarella mit handgeschnittenem rohen Schinken (hier tuts dann auch der aus Parma) - mit Tomaten oder besser „Pomodorini“. Letztere bitte nur in Neapel, die hiesigen Qualitäten können nur scheitern. Alles erfüllt? Dann zum ersten Male auf nach Neapel und den wahren Duft des Neapolitaners bei einem Espresso „Neapoletana“ im Café Gambrinus einatmen - fertig!

2. Wie kann man als Besucher der PITTI in Florenz aus der Masse der perfekt gestylten Herren positiv herausstechen?


Das ist relativ einfach zu beantworten. Alles Übertriebene unterlassen. d. h. ZU kurze Hosenlängen, ZU kurze Sakkolängen und Frisurkunst sollte man den Amateuren und Möchtegern-Stylern überlassen. Ein ungefütterter dunkelblauer Anzug aus irischem Leinen und ein weißes Leinenhemd in neapolitanischer Schneiderei gefertigt (bei mir in diesem Sommer von Cesare Attolini). Kombiniert mit einer braunen Krawatte aus Seidenstrick, weißem Leinenpochette, braunen Baumwollkniestrümpfen und braunen Loafern (bei mir bevorzugt als Pennyloafer von Saint Crispin´s). Stil, NO Fashion! So wird man auf der PITTI in Fachkreisen gerne gesehen. Das andere den anderen.

3. Was ist der Vorteil eines komplett von Hand genähten Hemds?


Ein von Hand genähtes Hemd erzeugt einfach ein besseres Körpergefühl. Weiche Verarbeitung bei schlanker Passform lässt sich nur in dieser Klasse von Hemden erzeugen. Neapolitanische Kunst des Hemdenmachens gepaart mit besten Stoffen. Das ist ein Unterschied. Schmales Fitting aber keine unerklärlichen Frontabnäher und auch nicht weit wie ein Nachthemd was in der anglophilen Hemdenkultur häufig vorkommt - dort zählt es ja auch zur Kategorie der Wäsche.
Das Hemd trägt man näher am Körper als seine Jacke und so sollte es immer erster Güte sein!

4. Warum gibt es Ihr Geschäft ausgerechnet in Hannover?

Nachdem ich 22 Jahre das zu seiner Zeit unerreichte Herrengeschäft Heinrich´s in Hannover begleitete (von der Ausbildung bis zum GF Ges.) und ich auch in Hannover geboren bin, sind die Wurzeln eindeutig. Nach der Gründung meines eigenen Geschäftes gab es hier so auch meine persönlichen Stammkunden und ein Neustart in der Heimatstadt lag auf der Hand. Heute bin ich Stolz, dass wir in Hannover eine solche Anzahl an sartorialen Hemden, Sakkos und Anzügen verkaufen können und unseren neapolitanischen Partnern und heutigen Freunden von Cesare Attolini, Orazio Luciano und Finamore, sowie Phillip Car von Saint Crispin´s aus Wien eine wunderbare Plattform bieten. Ohne Hannover zu nahe zu treten, gibt es bei unserem Sortiment natürlich manchmal Momente wo man an Städte wie Frankfurt, Düsseldorf oder gar München denkt. Dies erreichen wir aber auch durch unseren Start eines Online-Stores mit seiner „sartorialen Welt“ von Michael Jondral.

Dienstag, 10. Mai 2016

Vier Fragen an Matthias Vickermann

Matthias Vickermann kann Kunden wie Zuhörer für Maßschuhe begeistern (Foto: Vickermann & Stoya)


Ein Derby aus gekörntem Leder aus der Werkstatt von Vickermann & Stoya (Foto: Vickermann & Stoya)

Bereits 2004 wurde die Maßschuhmacherei Vickermann & Stoya gegründet, dennoch tritt Matthias Vickermann immer noch mit der Frische des Newcomers auf. Bekannt wurde er u. a. durch die Idee, seine Maßschuhe auf Kreuzfahrtschiffen, bei Landpartien und in Kooperation mit Autohäusern anzubieten. Vor kurzem hat der umtriebige Schuster zusammen mit seinem Kompagnon Martin Stoya und Marc Junghans auch noch ein Geschäft für Feines Schuhwerk & Accessoires eröffnet - gleich gegenüber seiner Maßschuhmacherei. Dort gibt es z. B. Rahmengenähte von Crockett & Jones und Hemden von Ignatious Joseph. Am Rande der Ladeneröffnung stellte ich Matthias Vickermann vier Fragen.


BR: Herr Vickermann, warum verkauft ein Maßschuhmacher plötzlich Schuhe von der Stange?

MV: … da sich leider nicht jeder unsere Maßschuhe leisten kann und ich niemanden ohne Schuhkauf wegschicken möchte.

BR: Tragen Sie selbst immer Maßschuhe?

MV: Nein, Sportschuhe als auch Schuhwerk für die Gartenarbeit kaufen ich „von der Stange“. Die werden so beansprucht, dass es ein Unding wäre, dafür Maßschuhe zu tragen.

BR: Gab es schon Schuhwünsche, die Sie abgelehnt haben?

MV: Oh ja, besonders wenn Frauen sehr breite Füße mit Hallux Valgus u.ä. haben und trotzdem weiterhin spitzes Schuhwerk wünschen. Spätestens dann müssen wir ablehnen, denn entweder werden die Schuhe gefallen oder passen, aber bestimmt nicht beides.

BR: Welcher Berühmtheit würden Sie gern einmal Schuhe machen?

MV: Neben Ihnen würde ich gerne Sandalen für den Dalai Lama machen.

Montag, 9. Mai 2016

Herren an der Hand genommen

Die Stoffauswahl bei Maßschneider übertrifft das Angebot selbst gut sortierter Konfektionsanbieter bei weitem, wie das Fotos des Berliner Ateliers Purwin & Radczun illustriert.


Ein guter Maßschneider antizipiert den Wunsch eines Kunden bereits in dem Moment, da der Kunde den Laden betritt. So formuliert es der Hamburger Maßschneider und Herrenausstatter Tom Reimer. Was sehr zugespitzt klingt, trifft zu. Denn viele Herren scheuen den Gang zum Maßschneider weil sie sich nicht entscheiden können. Die immer wieder als Vorteil des Maßschneiders gepriesene, große Stoffauswahl schreckt ab. Deshalb muss der Maßschneider dem Kunden die Auswahl entweder komplett abnehmen oder sie auf zwei bis drei Alternativen reduzieren. Auch bei Purwin & Radczun in Berlin wird der Kunde an die Hand genommen. Der britische Zuschneider des Hauses rät Kunden, die sich zu eher unpassenden Stoffen hingezogen fühlen, höflich aber bestimmt ab. Auch Tom Reimer lehnt Wünsche, die ihm gegen das Stilgefühl gehen, ab. Höflich aber bestimmt. 

Mittwoch, 4. Mai 2016

Wien, ich komme!

Der Herrenschneider Michael Possanner in seinem Maßsalon in Wien (Foto: Gregor Semrad)



Ich will nicht zu viel verraten. Aber soviel doch: Im Juni 2016 werde ich in Wien, einer der Maßschneidermetropolen Europas, die Neufassung meines Buchs "Der Gentleman" vorstellen. Und wenn ich dann schon ein dort bin, werde ich im Maßsalon Possanner etwas bestellen. Dokumentiert in Wort und Bild.

Chukkaboots? Rau oder glatt?

Klassisch: Der Chukka aus Rauleder  (Foto: Crockett Jones)

Weniger klassisch: Der Chukka aus Glattleder (Foto: Crockett & Jones)



Ist ein Chukkaboot nur dann ein Chukkaboot, wenn er aus Rauleder gefertigt ist? Ja, denn ein "Chukkaboot" aus Glattleder ist meines Erachtens einfach nur ein knöchelhoher Derby. Das Rauleder gehört für mich zwingend zum Chukkaboot, weil dieses Schuhmodell für staubige Regionen erdacht worden ist. Glattlederschuhe wurden dort zwar auch getragen, z. B. abends oder als Teil der Paradeuniform, im Alltag sind in heißen Zonen aber Schuhe aus Rauleder praktischer.