Montag, 24. November 2014

Inverted snobbery

Der Prince of Wales lässt seine Hemden bei Turnbull & Asser fertigen. Der Hemdenmacher darf damit werben. Wird man zum Snob, wenn man diese Marke trägt? Oder zum "inverted snob", wenn man sie wegen des berühmten Kunden ablehnt?


Es ist gar nicht so leicht, den englischen Begriff „inverted snobbery“ ins Deutsche zu übersetzen. Den Snob kennen wir zwar, eine treffende Bezeichnung haben wir in unserer Sprache für diesen Typus aber nicht.

Man könnte ihn als jemanden beschreiben, der sich etwas vom Status anderer, aus seiner Sicht höher stehender Personen, für sich ausleiht und dann mit diesem entliehenen Status für sich renommieren. Bestes Beispiel sind Verkäufer in Edelboutiquen, die durch den Umgang mit der teueren Ware sich selbst auf eine Stufe mit den Kunden stellen oder sich gar als über ihnen rangierend empfinden. Da sie mangels Kaufkraft aber nicht zu diesen Kunden zählen dürfen, würden sie sich selbst mit einem mitleidig-überlegenen Blick messen, wenn sie selbst als einem Kunden gegenüberstehen. Der „inverted snob“ ist jemand, der die Waren im Schaufenster eben jener Edelboutique, in der unser Snob arbeitet, mit Kopfschütteln betrachtet. „5000 Euro für ein Schlüsseletui? Wie kann man nur so dumm sein, für ein bisschen Leder und Messing so viel Geld auszugeben?“ Diese Haltung ist an und für sich nicht negativ. Zur „inverted snobbery“ wird sie dann, wenn sich aus ihr ein Überlegenheitsgefühl ableitet.

Zum „umgedrehten Snob“ wird man entweder, weil man nichts hat und vielleicht auch neidisch ist. Oder weil man ohnehin alles besitzt, was andere sich erst kaufen müssen. In die letztere Kategorie fällt der britische Thronfolger Prince Charles. Vor einiger Zeit gingen Berichte über seine „Altkleidersammlung“ durch die britische Presse. Gemeint war die Garderobe des Thronfolgers. Da gibt es ein Paar Maßschuhe, die er zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen hat, etliche Anzüge aus 1980ern sowie eine Jagdjacke aus Tweed, die fast komplett aus Flicken besteht und ein wenig an ein Harlekinskostüm erinnert. Die „inverted snobbery“ hat viele Gesichter, meistens aber ist sie Ausdruck von Scheinheiligkeit. Ich kann gut Wasser statt Wein predigen, wenn ich ohnehin Malt Whisky bevorzuge. Oder mein Auto abschaffen, wenn ich ein unbegrenztes Spesenkonto für Taxifahrten habe. Nach dem Motto: Warum essen die Leute keinen Kuchen, wenn sie kein Brot haben?

In abgeschwächter Form nennt sich das dann selektiver Konsum. Man fliegt günstig nach London und geht dort vom gesparten Geld gut essen. Oder kauft alle drei Jahre ein Paar Maßschuhe bei Scheer und trägt sonst nur Jeans und Lederjacke. Eng verwandt mit der „inverted snobbery“ aber durchaus von ihr unterscheiden ist das Understatement. Zum Understatement gehört natürlich Selbstbewusstsein, denn es nimmt in Kauf, nicht für voll genommen zu werden. Das verträgt nur jemand, der reich gesegnet ist, wenigstens aber über ein dickes Fell verfügt. Auch mit Missverständnissen und Fehleinschätzungen muss der Bescheidene rechnen. Wer in Amerika sagt, dass er Landwirt ist, darf nicht erwarten, dass man ihn für einen Großgrundbesitzer hält.

Natürlich baut auch derjenige, der sein Licht unter den Scheffel stellt, ein wenig darauf, dass man ihn durchschaut. Doch er ist nicht davon abhängig. Es amüsiert ihn sogar, wenn man ihn unterschätzt. So wie der König im Märchen oder Hollywoodfilm, der unter falschem Namen durch das Land reist und sein Incognito genießt. Dort wird das Geheimnis am Ende allerdings immer gelüftet. In der Realität muss man das selber besorgen. Sofern man es nötig hat.

Freitag, 21. November 2014

Bin ich bereit für den Maßschneider?

Soll der Schneider oder die Schneiderin dem Kunden bei der Stoffauswahl helfen? Ja. Aber nur, wenn es sein muss (Foto: Erill Fritz)

Viele Männer, die sich eigentlich einen Anzug vom Maßschneider leisten könnten, schrecken davor zurück. Am Preis der Maßschneiderei liegt es selten. Denn nur in Ausnahmen machen Herren den Sprung vom 199-Euro-Anzug zur Handwerksarbeit, die in Deutschland im Schnitt ab ca. 2700 Euro zu haben ist (für einen zweiteiligen Anzug). In der Regel ziehen Männer den Schneideranzug in Betracht, die bereits zwei bis dreitausend Euro für Maßkonfektion oder handgemachte Kleidung von der Stange ausgeben. Ich glaube, dass viele Maßkandidaten aus Angst vor den zahlreichen Entscheidungen, die sie beim Schneider treffen müssten, den Weg zum "bespoke tailor" scheuen. Bevor jemand einen Handwerker beauftragt, sollte er folgende Fragen mit großer Entschiedenheit beantworten können:

1. Haben Sie Bedarf an einem Anzug?
Man denkt nicht wirklich über einen Anzug nach, wenn man zufrieden mit dem Inhalt seines Schranks ist. Und wenn man nicht nachdenkt, kann man sich auch nicht entschließen.

2. Wissen Sie, welches Modell Ihnen vorschwebt?
Ein- oder Zweireiher? Mit oder ohne Weste? Welche Hosen werden bevorzugt? Mit Gürtelschlaufen oder für Hosenträger zugeschnitten?

3. Haben Sie eine ungefähre Vorstellung von dem Stoff
In jedem seriösen Schneideratelier liegen wenigstens ein Dutzend Stoffmusterbündel zur Durchsicht bereit. In einigen großen Ateliers kann der Kunde sogar Stoffe am Stück in die Auswahl mit einbeziehen. Dies wirkt manchmal aber abschreckend. Hier muss der Schneider beraten. Sonst fühlt man sich wie der Biertrinker vor der Weinkarte. Unter mehr als drei Stoffen können nur wenige auswählen, vor fünf bis zehn Optionen kapitulieren die meisten.

4. Können Sie in Worte fassen, welche Vorstellung Sie vom Aussehen des Anzugs haben? Oder können Sie wenigstens sagen, wie Sie in dem Anzug wirken wollen?
Es gibt Schneider, die jedem Kunden ihren Lieblingsschnitt aufdrücken wollen. Entweder, weil sie sich für unfehlbar in Stilfragen halten. Oder, weil sie nur einen Schnitt beherrschen. Gute Schneider wünschen sich aber einen Kunden, mit dem sie sich austauschen können oder an dem sie sich sogar reiben können. Austausch oder Reibung setzt aber voraus, dass der Kunde eine Vorstellung hat. Die muss nicht jedes Detail umschließen. Es hilft aber, wenn man wenigstens sagen kann, dass man sich einen Anzug wünscht, der den Zweiteilern von Sean Connery im ersten James-Bond-Film ähnelt. Oder einen Anzug, wie ihn der Mann mit der Melone im Film "Die Olsenbande" trug (das letztere Beispiel ist aus dem Leben gegriffen, ein Kunde von Kathrin Emmer nannte es als Referenz). Mit solchen Angaben kann der Schneider etwas anfangen. Man kann auch Bilder mitbringen oder Filme von YouTube zeigen.

Wer sich diese Fragen nicht beantworten kann, sollte noch ein wenig weiter nachdenken. Wer sich aber über alles klar ist, sollte den Gang zum Schneider wagen.






Dienstag, 18. November 2014

Vorausschauende Planung: Mein Baumwollanzug für den Sommer 2015

Das Foto gibt leider die Farben nicht korrekt wieder. Der Baumwollanzug ist olivgrün

Im Sommer angenehm: Ein Halbfutter. Das Satininnenleben erleichtert das Überziehen

Ich bin bekanntermaßen ein großer Anhänger der Maßschneiderei. Dennoch kaufe ich ab und zu von der Stange oder bestelle Maßkonfektion. Meistens handelt es sich um Sommeranzüge, da ich sie nur wenige Tage im Jahr trage. Vor allem aber, weil Baumwolle und Leinen sehr empfindlich sind, was Flecken betrifft. Ein Unfall mit der Pasta beim Mittagessen auf der PITTI kann schon das Ende des Kleidungsstücks bedeuten. Wollstoffe sind da wesentlich unempfindlicher.

Ich mag helle Anzüge, kann sie aber - mit Ausnahme von grauem Glencheck - schlecht tragen. Beige und Wollweiß fallen also aus. Dunkelblau ist mir zu förmlich, bleibt also nur Olivgrün. Meinen ersten Baumwollanzug in dieser Farbe habe ich 1992 von der Stange in New York bei einem kleinen Geschäft namens Bancroft erstanden. Er hat mich einige Jahre lang begleitet, in diesem Jahr habe ich seinen Nachfolger bestellt. Ich habe mich für ein Modell mit aufgesetzten Taschen entschieden und einer schmal geschnittenen Gürtelhose. Das Schlupfmuster in Größe 50 bedurfte nur kleiner Abwandlungen, das Ergebnis ist sehr gut.

Bilder vom Anzug in Aktion folgen beim Wiederanstieg der Temperaturen.