Inverted snobbery
Es ist gar nicht so leicht, den englischen Begriff „inverted snobbery“ ins Deutsche zu übersetzen. Den Snob kennen wir zwar, eine treffende Bezeichnung haben wir in unserer Sprache für diesen Typus aber nicht.
Zum „umgedrehten Snob“ wird man entweder, weil man nichts hat und vielleicht auch neidisch ist. Oder weil man ohnehin alles besitzt, was andere sich erst kaufen müssen. In die letztere Kategorie fällt der britische Thronfolger Prince Charles. Vor einiger Zeit gingen Berichte über seine „Altkleidersammlung“ durch die britische Presse. Gemeint war die Garderobe des Thronfolgers. Da gibt es ein Paar Maßschuhe, die er zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen hat, etliche Anzüge aus 1980ern sowie eine Jagdjacke aus Tweed, die fast komplett aus Flicken besteht und ein wenig an ein Harlekinskostüm erinnert. Die „inverted snobbery“ hat viele Gesichter, meistens aber ist sie Ausdruck von Scheinheiligkeit. Ich kann gut Wasser statt Wein predigen, wenn ich ohnehin Malt Whisky bevorzuge. Oder mein Auto abschaffen, wenn ich ein unbegrenztes Spesenkonto für Taxifahrten habe. Nach dem Motto: Warum essen die Leute keinen Kuchen, wenn sie kein Brot haben?
In abgeschwächter Form nennt sich das dann selektiver Konsum. Man fliegt günstig nach London und geht dort vom gesparten Geld gut essen. Oder kauft alle drei Jahre ein Paar Maßschuhe bei Scheer und trägt sonst nur Jeans und Lederjacke. Eng verwandt mit der „inverted snobbery“ aber durchaus von ihr unterscheiden ist das Understatement. Zum Understatement gehört natürlich Selbstbewusstsein, denn es nimmt in Kauf, nicht für voll genommen zu werden. Das verträgt nur jemand, der reich gesegnet ist, wenigstens aber über ein dickes Fell verfügt. Auch mit Missverständnissen und Fehleinschätzungen muss der Bescheidene rechnen. Wer in Amerika sagt, dass er Landwirt ist, darf nicht erwarten, dass man ihn für einen Großgrundbesitzer hält.
Natürlich baut auch derjenige, der sein Licht unter den Scheffel stellt, ein wenig darauf, dass man ihn durchschaut. Doch er ist nicht davon abhängig. Es amüsiert ihn sogar, wenn man ihn unterschätzt. So wie der König im Märchen oder Hollywoodfilm, der unter falschem Namen durch das Land reist und sein Incognito genießt. Dort wird das Geheimnis am Ende allerdings immer gelüftet. In der Realität muss man das selber besorgen. Sofern man es nötig hat.