Beobachtungen im Frühstücksraum
Ein Frühstücksraum im Ritz Carlton am Potsdamer Platz in Berlin. Ein idealer Ort für den gepflegten Start in den Tag (Foto: Ritz Carlton Berlin) |
Wer viel unterwegs ist und häufig morgens mit Urlaubern und Geschäftsreisenden im Frühstücksraum sitzt, bekommt einen guten Eindruck vom gegenwärtigen Stand der Tischsitten.
Männer legen zunächst einmal das Sakko ab, falls sie eins tragen. Die Serviette und Ihre Handhabung scheint vollkommen unbekannt zu sein. In neun von zehn Fällen bleibt sie unbenutzt auf dem Tisch liegen. Die Hände werden zumeist am Hosenbein abgewischt.
Man streckt und reckt ungeniert seine Glieder, kratzt sich und gähnt mit weit aufgerissenem Mund. Männer wie Frauen sitzen krumm und mit beiden Ellenbogen aufgestützt am Tisch, die Damen schlingen die Beine um die Stuhlbeine oder schlagen sie unter dem Tisch übereinander.
Das Brötchen wird mit beiden Händen zum Mund geführt, wobei die Finger den Belag festhalten. Es wird permanent mit vollem Mund gesprochen, was halbwegs zerkaut ist, wird mit laut geschlürftem Kaffee runtergespült. Gespräche werden grundsätzlich mit erhobener Stimme und begleitet von lauten Lachsalven geführt.
Ob allein oder in Gesellschaft, es wird beim Essen Zeitung gelesen, es werden Kurznachrichten getippt und überhaupt alle zehn Sekunden geht der Blick auf das Display des Smartphones. Oftmals wird telefoniert. Außerdem bessern Frauen ungeniert ihr Make-Up auf, ziehen die Lippen nach und korrigieren den Sitz des BH.
Hin und wieder gibt es Ausnahmen. Ich habe sie in diesem Jahr in einem kleinen Hotel in Oberfranken erlebt. Ein allein reisender Herr betrat den Raum und grüßte mit einem Nicken in die Runde, setzte sich, breitete die Serviette auf dem Schoß aus, aß lautlos und in gerader Haltung sein Frühstück, bedankte sich höflich bei der Kellnerin für den Kaffee und verabschiedete sich am Ende beim Hinausgehen.
7 Kommentare:
Guten Tag,
Leider treten Manieren für den geübten Beobachter hinter faule Verhaltensweisen. Jedoch wäre es billig nur klassische Manieren als Standard zu sehen. Das Erlernen von guten Verhaltensweisen im öffentlichen Raum ist nicht jedermann in die Wiege gelegt. Erziehung und Umfeld sind oftmals nicht mehr dazu in der Lage.
Vielleicht ist das laxe Auftreten im öffentlichen Raum eine neue Art des Benehmens. Am Sich-Nicht-Stören des Verhalten von anderen und das unbewusste Nicht-Stören der anderen erscheint mir dieser neue Trend. Es ist schade, dass es so weit kommt.
-Korbinian
Natürlich sind Manieren immer relativ zu sehen. Zeiten ändern sich und demzufolge auch Verhaltensweisen. Deshalb habe ich meinen Artikel auch "Beobachtungen" tituliert. Störend empfinde ich das Verhalten vieler Menschen dennoch. Wer sich "klassisch" zu benehmen weiß, lässt wenigstens seine Umwelt unbeeinträchtigt.
Ich kenne die Beschreibungen nur zu gut und bin der Meinung, dass Manieren nicht relativiert werden dürfen (Im Übrigen habe ich den vorletzten Satz von Korbinian inhaltlich nicht verstanden und bin außerdem überhaupt nicht seiner Meinung).
Gute Manieren bei Tisch sind das A und O. Ob es nun im geschäftlichen oder privaten Umfeld ist, sind sie der Standard, an dem man sich zu orientiern hat. Welchen Standard sollte es denn sonst geben? Klar esse ich bspw. im Orient anders, aber das ist hier nicht das Thema.
Es stört mich definitiv, wenn sich manche Menschen im Frühstücksraum wie Primaten benehmen. Schön ist auch geräuschvolles und saftiges Schneuzen der Nase.
Allerdings ist es aber auch nicht so, dass gut gekleidete Menschen sich auch zwangsläufig gut benehmen.
Manieren haben mit Stil und Kultiviertheit zu tun. Wenn man sie nicht hat, gibt es dafür Bücher, kann sie also lernen, wenn man will.
Leider ist sich heutzutage jeder selbst der Nächste und hinterfragt sich nicht. Und das ärgert diejenigen, die sich zurücknehmen und wissen, wie man sich benimmt.
Also lautet ein Beschluss .... das der Mensch sich ändern muss !
Ja, ich bin genau derselben Meinung. Aber Stil und Benehmen kann man nicht erlernen und fehlende Kinderstube nicht nachholen. Obwohl es natürlich schon sehr nützlich ist, einen Stilratgeber zu lesen oder seine Allgemeinbildung zu verbessern.
Leider gibt es nur mehr sehr wenig echte Gentlemen, Manieren scheinen aus der Mode gekommen zu sein.
Grüße von Claire, Ihrer neuen Leserin.
Ich würde das nicht so fatalistisch sehen. Manieren kann man genauso lernen, wie Fremdsprachen oder ein Musikinstrument. Man muss es aber wollen, Arbeit investieren und viel üben.
Ich möchte eine weitere Beobachtung dazu gesellen: Nach dem manch einer den Tisch verlassen hat, gleicht dieser einem Schlachtfeld aus Krümeln, beschmierten Messern, halb geleerten Gläsern, Tassen und Marmeladentöpfchen. Wo bleibt die Überlegung, dass das auch einer wegräumen muss...naja, die Servicekraft wird ja dafür bezahlt, dass sie anderer Hinterlassenschaften beseitigt. Jeder sollte auch den Servicekräften seine Würde lassen und seinenn Platz zivilisiert verlassen. (inklusive Bedankung und Verabschiedung)
Mimi
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