Farbiges Futter
Ein halbfertiger Glencheck-Anzug mit hellblauem Futter in der Werkstatt von John Coggin (Foto: Bernhard Roetzel) |
Da Maßkonfektion von immer mehr Männern genutzt wird, sieht man immer häufiger Anzugjacken mit farbigem Futter. Als ich Ende der 1990er in der Savile Row das erste Mal etwas für mich machen ließ, waren farbige Futterstoffe in Deutschland noch relativ selten. Sie wiesen oft auf Maßarbeit vom Schneider hin, sofern es sich nicht um ein Sakko von Etro handelte. Etro war damals einer der wenigen Labels am deutschen Markt, die ihre Blazer standardmäßig mit einem farbigen Innenleben ausstatteten. Aus diesem Grund waren viele Männer damals überzeugt, dass farbige Futterstoffe typisch für die italienische Moden seien. Nach meiner Beobachtung sind sie jedoch eher im britischen Stil beheimatet.
Der englische Gentleman, der bei Oberstoff und Modellform traditionelle Formen bevorzugt, würzt den Anzug gern mit einer Prise Humor in Form des farbigen Innenfutters. Gut angezogene Geschäftsleute aus Italien bevorzugen hingegen überwiegend gedeckte Stoffe. Natürlich gibt es unter den großen Stilvorbildern Italiens auch einige "Paradiesvögel", die Mehrheit der Modeikonen bevorzugt aber eine ganz einfache Formel bei der Wahl von Anzug, Hemd, Krawatte und Schuhen, z. B. dunkelgrauer Flanell, hellblaues Oxfordhemd, dunkelblauer Kaschmirbinder, schwarze Kniestrümpfe und schwarze Schuhe. Dies gilt jedenfalls fürs Business. Futterstoffe werden mit Zurückhaltung gewählt, Dunkelgrau und Schwarz sind häufig beim Zwirn für das Büro.
Ich selbst habe schon mehrere Phasen bei meinen Vorlieben für Futterstoffe durchlebt. Zunächst bestellte ich alle Anzüge und Sakkos mit mehr oder minder auffällig gefärbten Futterstoffen, z. B. "electric blue" zum Glencheck mit hellblauem Überkaro, Rot zum dunkelblauen Nadelstreifen oder Flaschengrün zum Covertcoat. Danach kam eine Phase mit konservativen Futterfarben, die Ton in Ton auf den Oberstoff abgestimmt waren. Es folgte eine Vorliebe für zurückhaltende Farben wie z. B. Weinrot oder dunkelblau. Derzeit bin ich wieder dunkelgrauen Futterstoffen angelangt. Sehr auffällige Farben empfinde ich als Einschränkung bei der Wahl der Krawatte, den zu einem violetten Futter würde ich z. B. keine Rottöne beim Binder wählen. Dennoch verstehe ich die Freude am bunten, vielleicht sogar gemusterten Futter. Und wer weiß, vielleicht bestelle ich demnächst mal einen Navy-Blazer mit einem Futter in Goldorange.
6 Kommentare:
Heißt es nun "Covercoat" wie Sie in Ihrem Text schreiben - oder doch "Covertcoat"? Bin jetzt etwas verwirrt...
Es heißt Covertcoat. Ich habe mich verschrieben. Danke für den Hinweis!
Und welches Futter würden Sie zu einem Smoking (Dinner Jacket) empfehlen? Ist das – so ohne Seitenschlitze gearbeitet wird – egal oder sollte man hier bes. „aufpassen“?
Ganz klassisch wäre wohl ein schwarzes Futter. Es hat aber auch eine lange Tradition, die Abendgarderobe mit farbigen Futterstoffen auszustatten. Beim Smoking mit Schlitzen blitzt es natürlich schneller auf, z. B. beim Hinsetzen oder beim Tanzen. Dann empfinde ich es aber als charmant, wenn ein rotes oder violettes Futter zu sehen ist. Mein Smoking ist z. B. lila gefüttert.
Was halten Sie von der noch extremeren Variante der Futter mit überdimensionalen Motiven wie sie derzeit aufkommende "punkigere" Maßanzugschneidereien (etwa Herrchen in Frankfurt, Rooks and Rocks in Hamburg etc.) anbieten? Bei Herrchen etwa mit Totenköpfen o.ä.?
Warum nicht? Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.
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