Donnerstag, 22. November 2012

Klassisch: Altmodisch oder zeitlos?


Amerikanische Herrenmode aus der Zeit um 1900. Wirklich veraltet wirkt nur die Art ihrer Darstellung.


Ein Herrenschuh, dem nicht anzusehen ist, ob er 1930 oder  1990 gemacht wurde (Foto: Eduard Meier).

Was ist „klassische Mode“? Zeitlose Kleidung? Altmodische Kleidung? Also Kleidung von gestern? Kann ein Mensch, der sie trägt, sich überhaupt in der Gegenwart zurechtfinden? Ist das Beharren auf dem Bewährten nicht Ausdruck von Gestrigkeit, der abzulehnen ist? Gar von Konservatismus? Müssen wir nicht durch die Mode zeigen, dass der Zeitgeist uns bewegt? Dass wir nach vorn schauen und nicht zurück?

Sich klassisch zu kleiden bedeutet für mich zunächst einmal nur, dass man sich in eine Tradition stellt, die sich in Europa seit 17. Jahrhundert entwickelt hat. Rock, Weste und Hose, Hemd und Halstuch, Strumpf und Stiefel sind seit Jahrhunderten die wichtigsten Grundelemente der Herrengarderobe. Heute mag man von Anzug, Blazer, Sakko und Krawatte reden, doch gravierend sind die Unterschiede zwischen 1811 und 2011 nicht. Der Besuch in einem Modemuseum zeigt, wie nah wir unseren Vorfahren sind. Natürlich nicht, wenn wir in Sweatshirt, Jeans und Turnschuhen herumlaufen, sehr wohl aber, wenn wir z. B. einen blauen Blazer, eine helle Baumwollhose und braune Schnürschuhe tragen. Diese Farbzusammenstellung entspricht im Grunde nämlich exakt der des Werther-Rocks des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Sich klassisch zu kleiden heißt für mich außerdem, sich der Wegwerfmentalität und dem Konsumismus zu verweigern. Insofern ist dieser Stil, mehr als jeder andere, der vielleicht sogar das Etikett „Öko“ trägt, Ausdruck von Sorge um die Rohstoffe und Ausdruck von Rücksicht und Mitgefühl für die Mitmenschen. Wenn ich einen Anzug bei einem Maßschneider in Berlin bestelle, ist das gut für das Klima und gut für die Umwelt. Denn der Stoff, der aus England stammt, wird dort von Hand gewebt und mit natürlichen Substanzen gefärbt. Die Weber arbeiten dort unter guten und würdigen Bedingungen und sie können sich und ihre Familie ernähren. Das gilt auch für den Schneider, der in Deutschland den Anzug näht. Statt in einer schlecht klimatisierten Fabrik für einen Hungerlohn Billigkleidung herstellen zu müssen, die dann weltweit zum Spottpreis über den Ladentisch geht, bekommt er einen angemessenen Tarif für seine Handwerksarbeit.

Klassische Kleidung ist wegen ihrer Herkunft zeitlos und alterslos, sie ist es jedoch auch in dem Sinne, dass sie dem jungen Mann genau so gut steht, wie dem Greis. Der Jüngling gewinnt durch sie an Format, der bejahrte Herr wird durch sie in Form gehalten. Und in den Dekaden dazwischen erspart sie ihrem Träger in Beruf, Freizeit und bei festlichen Anlässen den regelmäßigen Austausch der Garderobe. Als ich nach dem Studium meine erste Stelle in der Werbung antrat, trug ich die gleiche Art von Kleidung, in der ich auch heute noch auftrete. Es wird sicherlich Menschen geben, die dies als Ausdruck von Phantasielosigkeit werten. Ich sehe es eher als Chance, wenn man schon einem relativ jungen Alter die Experimente in Sachen Mode einstellen kann. Denn der Kopf bleibt dadurch frei für andere, ungleich wichtigere Dinge, die sich im Laufe des Lebens ständig ändern und ändern müssen und mit denen man sich beschäftigen muss.

1 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

"Spießer" sind eben doch umweltfreundlicher als der gewöhnliche Grünenwähler. Ein besseres Plädoyer für klassischen Stil hätte ich mir kaum vorstellen können. Vielen Dank für diesen Artikel

26. November 2012 um 09:12  

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