Klassisch: Altmodisch oder zeitlos?
Amerikanische Herrenmode aus der Zeit um 1900. Wirklich veraltet wirkt nur die Art ihrer Darstellung. |
Ein Herrenschuh, dem nicht anzusehen ist, ob er 1930 oder 1990 gemacht wurde (Foto: Eduard Meier). |
Was ist „klassische Mode“?
Zeitlose Kleidung? Altmodische Kleidung? Also Kleidung von gestern? Kann ein
Mensch, der sie trägt, sich überhaupt in der Gegenwart zurechtfinden? Ist das
Beharren auf dem Bewährten nicht Ausdruck von Gestrigkeit, der abzulehnen ist?
Gar von Konservatismus? Müssen wir nicht durch die Mode zeigen, dass der
Zeitgeist uns bewegt? Dass wir nach vorn schauen und nicht zurück?
Sich klassisch zu kleiden
bedeutet für mich zunächst einmal nur, dass man sich in eine Tradition stellt,
die sich in Europa seit 17. Jahrhundert entwickelt hat. Rock, Weste und Hose,
Hemd und Halstuch, Strumpf und Stiefel sind seit Jahrhunderten die wichtigsten
Grundelemente der Herrengarderobe. Heute mag man von Anzug, Blazer, Sakko und Krawatte
reden, doch gravierend sind die Unterschiede zwischen 1811 und 2011 nicht. Der
Besuch in einem Modemuseum zeigt, wie nah wir unseren Vorfahren sind. Natürlich
nicht, wenn wir in Sweatshirt, Jeans und Turnschuhen herumlaufen, sehr wohl
aber, wenn wir z. B. einen blauen Blazer, eine helle Baumwollhose und braune
Schnürschuhe tragen. Diese Farbzusammenstellung entspricht im Grunde nämlich
exakt der des Werther-Rocks des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Sich klassisch zu kleiden
heißt für mich außerdem, sich der Wegwerfmentalität und dem Konsumismus zu
verweigern. Insofern ist dieser Stil, mehr als jeder andere, der vielleicht
sogar das Etikett „Öko“ trägt, Ausdruck von Sorge um die Rohstoffe und Ausdruck
von Rücksicht und Mitgefühl für die Mitmenschen. Wenn ich einen Anzug bei einem
Maßschneider in Berlin bestelle, ist das gut für das Klima und gut für die
Umwelt. Denn der Stoff, der aus England stammt, wird dort von Hand gewebt und
mit natürlichen Substanzen gefärbt. Die Weber arbeiten dort unter guten und
würdigen Bedingungen und sie können sich und ihre Familie ernähren. Das gilt
auch für den Schneider, der in Deutschland den Anzug näht. Statt in einer
schlecht klimatisierten Fabrik für einen Hungerlohn Billigkleidung herstellen
zu müssen, die dann weltweit zum Spottpreis über den Ladentisch geht, bekommt
er einen angemessenen Tarif für seine Handwerksarbeit.
Klassische Kleidung ist
wegen ihrer Herkunft zeitlos und alterslos, sie ist es jedoch auch in dem
Sinne, dass sie dem jungen Mann genau so gut steht, wie dem Greis. Der Jüngling
gewinnt durch sie an Format, der bejahrte Herr wird durch sie in Form gehalten.
Und in den Dekaden dazwischen erspart sie ihrem Träger in Beruf, Freizeit und
bei festlichen Anlässen den regelmäßigen Austausch der Garderobe. Als ich nach
dem Studium meine erste Stelle in der Werbung antrat, trug ich die gleiche Art
von Kleidung, in der ich auch heute noch auftrete. Es wird sicherlich Menschen
geben, die dies als Ausdruck von Phantasielosigkeit werten. Ich sehe es eher
als Chance, wenn man schon einem relativ jungen Alter die Experimente in Sachen
Mode einstellen kann. Denn der Kopf bleibt dadurch frei für andere, ungleich
wichtigere Dinge, die sich im Laufe des Lebens ständig ändern und ändern müssen
und mit denen man sich beschäftigen muss.
1 Kommentare:
"Spießer" sind eben doch umweltfreundlicher als der gewöhnliche Grünenwähler. Ein besseres Plädoyer für klassischen Stil hätte ich mir kaum vorstellen können. Vielen Dank für diesen Artikel
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