Semplicità! Ein Interview mit Ciro Paone
Im Jahr 2003 war ich in Neapel bei Kiton zu Gast und konnte bei der Gelegenheit ein Interview mit Ciro Paone führen. Obwohl das Gespräch schon ein paar Jahre in meinem Archiv gelegen hat, sind die Aussagen immer noch interessant und gültig. Spannend sind die Aussagen zum Kiton-Schuh, der sich damals anscheinend noch im Projektstadium befand.
B. R.
Kann man ohne Kiton-Anzug elegant sein?
Ciro Paone
Ihr Anzug hat tausend Fehler, mein Anzug hat tausend Fehler. Es kommt darauf an, wie man seine Kleidung trägt.
B. R.
Was ist für Sie die wichtigste Stilregel?
Ciro Paone
Semplicità!
B. R.
Woher kommt der neapolitanische Stil?
Ciro Paone
Neapel war immer eine sehr vornehme Stadt, wir hatten ja auch einen König und einen reichen Adel. Diese Leute waren sehr kultiviert und reich. Sie konnten ihre Zeit damit verbringen, über ein Möbelstück nachzudenken, das sie sich für ihren Palazzo anfertigen lassen wollten. Oder eben über ihre Kleidung. Deswegen waren diese Leute unglaublich elegant.
B. R.
Nach welchem Prinzip arbeitet Kiton?
Ciro Paone
Ich will immer alles perfekt machen. Mit den Anzügen fing es an. Wissen Sie, früher gab es hier in Neapel noch hunderte von Schneidern. Heute sind es nur noch sehr wenige. Sie können nicht mehr an jeder Ecke was nähen lassen. Bei uns wird noch so gearbeitet, wie ich es aus meiner Kindheit kenne. Meine Familie ist schon sehr lange in der Tuchbranche und als kleiner Junge bin ich mit meinem Vater zu den Schneidern gegangen. Während er über Geschäfte sprach, habe ich im Atelier zugesehen. Deswegen kenne ich mich mit Stoffen sehr gut aus, genauso aber mit der Schneiderei.
B. R.
Aber auch mit Kunst. Sie haben hier eine sehr schöne Sammlung.
Aber auch mit Kunst. Sie haben hier eine sehr schöne Sammlung.
Ciro Paone
Danke. Dieses Bild ist beispielsweise von Manlio Giarrizzo.
B. R.
Kiton ist in Deutschland und den USA extrem erfolgreich. Was begründet den guten Ruf der neapolitanischen Schneiderkunst?
Ciro Paone
Im 18. Jahrhundert sind die Engländer und Deutschen auf ihrer Grand Tour zu uns gekommen. Während Sie die Kunst und Kultur Neapels studiert haben, ließen sie sich bei unseren Handwerkern Kleidung nähen. Und in den Zwanzigern und Dreißigern kam der Jetset nach Capri und auch diese Leute haben sich bei unseren Schneidern und Hemdenmachern eingekleidet.
B. R.
Erzählen Sie mir ein bisschen von dem Kiton-Hemd.
Ciro Paone
Es fing im Grunde damit an, dass ich kein Hemd mehr finden konnte, das meine Ansprüche befriedigt.
B. R.
Sie haben das Hemd für sich auf den Markt gebracht?
Sie haben das Hemd für sich auf den Markt gebracht?
Ciro Paone
Natürlich hatten wir auch sehr viele Nachfragen von unseren Kunden.
B. R.
Aber in Italien gibt es sehr gute Hemdenmacher. Auch in Paris.
Ciro Paone
Sie kennen nicht die Hemden, die ich früher hier bekommen habe. Genauso gut sollte das Kiton-Hemd werden. Deswegen haben wir sehr lange gearbeitet, bis es auf den Markt gekommen ist. Wir machen das nicht so wie andere, die einfach ihr Label in irgendein Produkt einnähen. Wenn wir was machen, dann richtig. Deswegen haben wir hervorragende Leute geholt, die jetzt bei uns die Hemden ganz so wie früher nähen.
B. R.
Wie sieht Ihr Freizeitlook aus?
Ciro Paone
Ich trage auch privat fast immer Anzug und Krawatte. Außer auf dem Lande, da trage ich dann ein Sakko. Neulich war ich in Ungarn auf einer Hundeschau (Ciro Paone züchtet Schäferhunde, Anm. d. Red.), da war ich der einzige im Anzug.
B. R.
Immer Anzug und Krawatte? Auch im Sommer? Wird es da in Neapel nicht sehr warm?
Ciro Paone
Natürlich. Aber es gibt Stoffe, die sind unglaublich leicht. Ich kann Ihnen zum Beispiel eine Tropical zeigen, der wiegt nur 160 g pro Meter. Oder einen Gabardine von 210 g. Darin wird es Ihnen nie zu warm. Jedenfalls nicht, wenn wir die Stoffe ganz leicht und weich verarbeiten.
B. R.
Bei Kiton denken viele Leute zuerst an Kaschmir.
Ciro Paone
Ja, vor allem die Deutschen. Aber es gibt noch viel mehr. Wir haben hier bei uns im Lager unglaublich exklusive Stoffe liegen, aus Wolle, Baumwolle, Leinen, alles was Sie wollen. Jeder Meter davon wurde exklusiv für uns gewebt. Ich bin nämlich sehr eifersüchtig, ich will diese schönen Stoffe nur für mich haben.
B. R.
Man liest immer, dass sich der Kiton-Anzug an den Körper des Trägers anpasst. Wie geht das?
Ciro Paone
Das liegt daran, dass wir ganz viel von Hand nähen. Der manuelle Stich erzeugt eine flexible Naht. Nach ein paar Tagen passt sich das Kleidungsstück durch die Bewegung und die Körperwärme wirklich an Ihre Figur an.
B. R.
Wird es irgendwann mal einen Kiton-Schuh geben?
Ciro Paone
Wie alt schätzen Sie meine Schuhe? Ich habe sie schon seit 25 Jahren! So müsste auch der Kiton-Schuh sein. Aber es wäre nötig, eine Schuhmanufaktur zu kaufen, im Moment ist das aber nicht geplant.
B. R.
Was hat es mit den küssenden Knöpfen auf sich?
Ciro Paone
Ich war mal mit einem Kunden unten im Atelier, der stellte mir die gleiche Frage. Da sagte ein Schneider: Warum sollen sich die Knöpfe nicht auch ein bisschen lieb haben?
B. R.
Wie steht es um die Eleganz der Deutschen?
Ciro Paone
Es gibt überall sehr elegante Leute, in Italien, Deutschland und auch den USA. Das hat nichts mit der Nationalität zu tun.
B. R.
Haben Sie in Deutschland viele prominente Kunden?
Ciro Paone
Ich verrate keine Namen.
B. R.
Wie sieht die Zukunft von Kiton aus?
Ciro Paone
Gut, denn mein Neffe ist ein absoluter Qualitätsfanatiker, fast noch schlimmer als ich. Neulich hat er ein Sakko zerrissen, weil er einen Fehler entdeckt hat. Insofern mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen. Vorausgesetzt, wir finden weiter genügend Schneider. Das ist selbst in Neapel heutzutage ein Problem.
B. R.
Sie haben alles erreicht, was wünschen Sie sich noch?
Ciro Paone
Wenn mir einen 30 Jahre alten Kiton-Anzug bringen würden, dann tausche ich den sofort gegen einen neuen ein. Ich finde es schade, dass ich nur ganz wenige Stücke aus unserer Anfangszeit besitze.
B. R.
Sonst nichts?
Ciro Paone
Doch. Noch viele schöne Hunde.
B. R.
Herr Paone, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch wurde in italienischer Sprache geführt, die Dolmetscherin war Dr. Claudia Piras.
1 Kommentare:
sehr guter Beitrag
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